Michael Pand Antisemitismus, 2019

Eigentlich erübrigt sich nach diesem Titel, in Tateinheit mit dem Pressefoto, jeder weitere Kommentar. Doch sagte schon Plato im Symposium: „Ähnliches geht zu Ähnlichem“ und somit wird hier, genau wie vor 2500 Jahren, höchste Komplexität aufgebaut. Im provozierenden Titel fehlt nämlich das obligate: „nach Christus“. Es wird in unserer, d.h. der westlich-okzidentalen Gesellschaft vorausgesetzt, doch soll in einem Essay das beabsichtigt „Heimat“, „Freiheit“, „Gerechtigkeit und Frieden“ zu reflektieren kurz daran erinnert werden, dass es auch andere Kulturen gibt, Buddhisten beispielsweise, die ihren Kalender und somit die Zeitlichkeit ihrer Lebensgeschichte nach dem Todesjahr von Siddhartha Gautama zählen. Gesetzt, dass Jesus gelebt hat, dann war er Jude und lebte in Palästina. Die Herren von Palästina damals waren die Römer, die Besatzungsmacht war bei den Juden verhasst. Der Islam kam erst 622 Jahre später. Juden, Christen und Muslime berufen sich unisono auf einen gemeinsamen Stammesvater namens Abraham, sind also im Glauben durchaus verwandt, ähnlich bis zur Verwechslung, gleichwohl seit 2000 Jahren in mehr oder weniger blutigen Konflikten schicksalshaft ineinander verbissen; das ist die komplexe Ausgangslage.
Voilà, ich bin fast so alt wie der Herr am Foto und wohne in Niederösterreich (19.000 km²). Israel gibt offiziell 22.000 km² als Staatsfläche (inklusive der besetzten Golanhöhe) an, ist also ähnlich groß wie meine Heimat. Was also habe ich, weder Muslim noch Jude, mit der weiteren Annexion der Palästinensergebiete durch Israel zu schaffen ?. Meine zweite Heimat wäre sowieso das Schachbrett, 64 lächerlich kleine quadratische Felder, aber geschätzte 10115 bis 10120 Zugmöglichkeiten, das reicht mir an „Raumgewinn“ für den Rest meines Lebens.
Eine Parabel: Von 1945 bis 1955, als ich zufällig am selben Tag als der österreichische Staatsvertrag in Kraft trat zur Welt kam war Niederösterreich (offizieller Tourismusslogan: „Hinein ins Leben“) von der siegreichen Roten Armee flächendeckend besetzt. Im Hainburger Rathaus, da wo heuer der Gemeinderat einen Spielplatz für Jugendliche, 250 m², als Käfig bis obenhin vergittert um 340.000 Euro bauen ließ war damals eine russische Militärkommandatur. (Der Geldbetrag wird explizit genannt weil man dafür auch einen kleinen Panzerkraftwagen mit Funkausrüstung kaufen könnte, aber niemand in Hainburg braucht einen solchen, doch passt das Beispiel gut zum Text, wenn dieser sich als Dekonstruktion von Lebensgeschichte in Hinblick auf Ähnlichkeit verstanden haben will). Die Hainburger mussten bei kommunalen Angelegenheiten, Baugenehmigungen, Geschäftseröffnungen und dgl. die russischen Besatzer um Erlaubnis fragen. Dasselbe müssen die Palästinenser 2019 immer noch, und wenn es nach dem netten Herrn am Foto geht: ad infinitum. Man stelle sich einen Augenblick lang vor, wie das Alltagsleben im „goldenen niederösterreichischen Wanderherbst“, beim „Genussradeln“ in den Donauauen oder bei der fröhlichen Weinlese wäre, wenn die Russen ab 1945 in Österreich geblieben wären und genau solche Siedlungen gebaut hätten, wie die Israelis im Westjordanland. Und niemand hätte sie daran hindern können. Am Weg von und nach Wien, das jetzt offiziell ???? hieße und als Hauptstadt von „Neu-Russland/ Lower Austria“ von USA anerkannt wird, wäre alle 20 km ein russischer Checkpoint der alle umweltbewussten Radler mit schussbereitem Maschinengewehr kontrolliert. Die Siedlungen für mittlerweile 600.000 Russen wären strengstens bewacht, kein heimatlicher Biobauer darf sich nähern und tut er es dennoch, wird auf ihn geschossen. Die Weinlese muss, genau wie die Oliven andernorts, über Moskau exportiert und verkauft werden. Ein anderes Gebiet, vielleicht der Bezirk Baden, wäre durch eine Mauer vollständig von der Aussenwelt getrennt und hätte den Vorzug dass die Russen nur jene die mit selbstgebastelten Brandsätzen protestieren am Zaun erschiessen; 125 waren es in einem halben Jahr, aber immerhin gälte der Bezirk Baden als nicht besetztes „autonomes N.Ö.“ Zwar wird seitens der UN die russische Besatzung und Landnahme in „Neu-Russland“ regelmäßig verurteilt, doch hat Moskau gewichtige Argumente für die Okkupation: seit 1945 wird der fiktive Staat „Neu-Russland“ im militärisch notwendig besetzten „Lower Austria“ von den Niederösterreichern nicht anerkannt. Sie protestieren, demonstrieren 74 Jahre nach der Kapitulation, viele russische Siedler werden mit Küchenmessern am helllichten Tag angegriffen und bedroht. Daher muss in „Neu-Russland“ das Militär ständig present bleiben, zum Schutz der russischen Bevölkerung und auch wegen „Wiederbetätigung“.
International ist die Lage ebenfalls kompliziert: Seitens der UN wurde den siegreichen Russen, die immerhin Nazi-Deutschland besiegten, zugestanden, einen eigenen Staat mitten im Land Niederösterreich zu gründen, hauptsächlich für die vielen Vertriebenen im 2.WK. Dieser Staat wird von den meisten anderen Staaten die auch gegen Nazi-Deutschland kämpften, mittlerweile vollständig anerkannt; leider nicht von den Besiegten. Die Russen beriefen sich bei der Staatsgründung u.a. auf Dschinghis Khan, dessen Reiterheere um 1242 bis nach Wiener Neustadt gelangten. Der Große Khan hätte schon damals, in einer uralten Schrift die man im Kaukasus gefunden hat, „das fruchtbare Land an der Donau“ seinen mutigsten Kriegern versprochen. Und jetzt sind sie heimgekehrt. Um zu bleiben. Viele sogenannte „Alt-Österreicher“, die bekanntlich eine gewaltige Mitschuld am 2. Weltkrieg nicht leugnen können wurden sofort nach der Staatsgründung „Neu-Russland“ in die Nachbarstaaten vertrieben wo sie nach 70 Jahren, bösartig und terroristisch, noch immer ein „Rückkehrrecht“ einforden. Politisch absurd, aber so stur sind sie halt.
„Neu-Russland“, so wird immer betont, wäre durchaus für Frieden mit allen Österreichern, doch fehlt die Anerkennung für die großen Befreier von Nazi-Deutschland durch die bornierten, schlechten Kriegsverlierer. Hinzu kommt, dass die von Lenin und Stalin begründete, mittlerweile absolut erfolgreiche kommunistische Lebensweise, die unbestreitbaren wissenschaftlichen Fortschritte auf allen Gebieten, Industrialisierung, Universitäten, Flugzeuge, Atomwaffen von den autochthonen und kulturell eher rückständigen (katholischen) Niederösterreichern rigoros abgelehnt wird. Die moderne, internationale Weltgemeinschaft die deshalb unfreiwillig zu einer Art Schiedsrichter aufgerufen wird im ewigen „Niederösterreich-Konflikt“, ist vollkommen überfordert mit historischen Einzelheiten, orientiert sich daher und der Einfachheit wegen an sportlichen Regeln wie sie beim Fußball zur Anwendung kommen: Russland hat das Match namens 2.Weltkrieg eindeutig gewonnen, die Niederösterreicher haben sich ihr weiteres politisches Schicksal selbst zuzuschreiben.....
Hier endet die Parabel. Wenn zwei absolut nicht kompatible, monotheistische Religionen im Streit um „ihr Land“ aufeinander prallen, dann findet der moderne, zeitungslesende Weltbürger dem Religion per se relativ egal ist, naturgemäß eher bei jenem Volk das seiner eigenen Geschichte (christlich-jüdisch) oder einer modernen Weltauffassung (Buddhisten) entspricht, eine gewisse Sympathie und Solidarität; weniger bei Muslimen, die noch vor 300 Jahren genau dieses Niederösterreich mit Feuer und Schwert erobern wollten.
Mit Religion kommt man also bei (ähnlicher) Verwandschaft nicht weiter. Aber mit Blauhelmen auch nicht. Daher frage ich, dies schreibend, mit Martin Heidegger nach dem Sinn des Seins.
Heidegger sagt: “Die Sprache ist das Haus des Seins. In ihrer Behausung wohnt der Mensch. Die Denkenden und Dichtenden sind die Wächter dieser Behausung. Ihr Wachen ist das Vollbringen der Offenbarkeit des Seins, insofern sie diese durch ihr Sagen zur Sprache bringen und in der Sprache aufbewahren.”
Ich frage mit dem provozierenden Begriff „Antisemitismus“ nach dem „Hausverstand“ zumal mein solides Einfamilienhaus in N.Ö. niemals von russischen Bulldozern zerstört werden wird.
Israel hält das Westjordanland seit Jahrzehnten besetzt und ist, in Personalunion mit dem demokratisch gewählten Präsidenten Donald Trump, am besten Weg ganz Palästina von allen Landkarten zu löschen, – nicht umgekehrt ! In den 70iger Jahren als wir Ephraim Kishon („Pardon, wir haben gewonnen“) verehrten, nach dem „6-Tage Krieg“ (1967) wurde der Mythos „David gegen Goliath“ geboren. Doch wer ist jetzt Goliath, wenn die Atommacht Israel mit Bomben und Panzern gegen palästinensische Steinewerfer vorgeht ? 2019 erfahren wir die angekündigte Annexion von Rest-Palästina, das noch nicht vollständig israelisch besiedelt wurde. Die EU ist besorgt. Als Günter Grass in einem Gedicht „Was gesagt werden muss“ die israelischen Atomwaffen kritisierte wurde ihm von der Mehrheit der deutschen Medien „Antisemitismus“ vorgeworfen. In Israel wurde er zur „Persona non grata“ erklärt und er erhielt ein lebenslanges Einreiseverbot. Insofern darf ich gespannt sein was auf mich zukommt, sollte der Text in einem österreichischen Medium veröffentlicht werden.
Lang lebe Arafat ! Und ebenso Uri Avnery, der ehem. Knesseth Abgeordnete, Friedensaktivist unter Einsatz des eigenen Lebens, der am 20. August 2018 verstarb.
Uri Avnery
Michael Pand Pilzkunde in Kafkanien

Als Peter Pilz eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in
seinem Bett zu einem ungeheuren Ungeziefer verwandelt. „Was ist mit mir
geschehen?“, dachte er, „wird von nun an der Straftatbestand ,sexuelle Belästigung
und öffentlich geschlechtliche Handlung’ (vulgo ,Po-Grapschen’) kategorial an mir
exekutiert? Bin ich der apokalyptische Minusmann einer Grünen-Bewegung, die
einst, von Hainburg ausgehend, die österreichische Politik nachhaltig
beeinflusste?“ Da der lustige Peter in den Siebzigerjahren für den Autor dieser
Zeilen so etwas wie ein Jugendfreund gewesen ist, überkam diesen das Bedürfnis,
sich gedanklich zur Causa mitzuteilen. Zum Untergang der Grünen als
Parlamentspartei wollen wir dabei den Begriff der Implosion verwenden. Im
Fußball würde man von einem Eigentor sprechen. Beim Zuordnen der täglich
eintreffenden Nachrichten zur Liste Pilz können wir uns allerdings nicht
entscheiden ob es sich um Harakiri oder Potlatch handelt.
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Exzellenzen ausstopfen. Ein Unfug ?

In einer Zeit in welcher der Begriff „Staatsgrenze“ eine merk(l)würdige Neudefinition erfährt, soll am Beispiel der Österreichischen Botschaft im Königreich Thailand als exterritorialer Arbeitsplatz privilegierter Repräsentanten, über Staatswesen, Diplomatie und Obrigkeit räsoniert werden. Die Motivation und Überwindung des Schreibers hierzu stammt aus der habituellen Nichtbeantwortung eines vor Wochen an seine Exzellenz, den österreichischen Botschafter gerichteten Schreibens, in welchem detaillierte Vorschläge zur Aufführung österreichischer Filme im Goethe Institut Bangkok vorgelegt wurden. Außerdem stehen heuer 150 Jahre diplomatische Beziehungen Österreich-Siam auf der kulturpolitischen Agenda.
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Der Unterschied, der den Unterschied macht

Das
Zitat stammt von Gregory Bateson (Kybernetik) und wurde von Niklas
Luhman (Systemtheorie) oft verwendet. Einen Printessay als zweiwertiges
Bild beginnen zu lassen hat den Vorteil, dass der Leser in nuce
entscheiden kann ob das Thema für ihn von Belang sein könnte; der
Schreiber erspart sich die Mühe des ersten Satzes. Links also der König
von Thailand, rechts Ho Chi Minh im selben Medium Papiergeld. Der
monochrom leere Raum zwischen den Bildern bedeutet, dass König Sihanouk
fehlt. Er verbindet die genannten Exzellenzen so wie der Mekong, der
von Thailand durch Kambodscha nach Vietnam fließt. mehr...
Der Fenstergucker von Phnom Penh
Wenn ein Staat 8 Mio Einwohner zählt
(Kambodscha vor 20 Jahren), wenn in diesem Land seit jeher ein mächtiger
Strom fließt (Mekong), von Nordwesten nach Südosten, wenn sich die
Hauptstadt (Phnom Penh) nur wenige Kilometer von der kommunistischen
Ostgrenze befindet (Vietnam), wenn auch der nördliche Nachbar
sozialistisch ist (Laos), wenn hingegen der westliche Nachbar (Thailand,
60 Mio Einwohner) ähnlich groß wie Westdeutschland vor 1989 ist und sich
so pro-amerikanisch verhält wie dieses nach dem 2.Weltkrieg, wenn im Süden
das Meer lockt, spätestens dann wird der österreichische
Winterflüchtling zwangsläufig, weil Struktur determiniert, von Heimat und
Herkunft eingeholt.
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