HAUSIERER & KORBFLECHTER
DER SCHWARZE KRAMER aber war nicht die einzige jener, längst
ausgestorbenen Gestalten meiner Kinderzeit.
Da waren noch einige andere, die ihrer Wege zogen, einsam, schwer
beladen, allein auf ihren Füßen.
In genagelten, geschnürten Schuhen gingen sie einher, bald in
aufgeweichten, durchnässten, bald in steinharten, löchrigen &
drückenden Schuhen, mit blutigen Füßen, erfrorenen Zehen & Fersen,
mit Blasen & Wunden - die Schwielengänger, die Kamele & Lastenträger
des Abend- & Alpenlandes.
Auch die Hausierer trugen viele Waren unterschiedlicher Qualität bei
sich, sie hatten sich oft auf nur einen Artikel oder ganz Weniges
spezialisiert.
Überhaupt waren die Geschäfte damals viel beweglicher, denn so gut
wie niemand hätte sich - mir nichts dir nichts - auf ein Fuhrwerk
gesetzt, um in einem entfernten Ort etwas zu kaufen oder womöglich
nur zu begutachten.
Hätte man sich vielleicht zurechtfinden können in einer sündigen
Stadt, wo es Dirnen gab & Alkohol, verschlungene Wege & Gassen,
Gauner & Taschendiebe, Betrüger, Lumpen & Gesindel!
Verkündete es denn nicht der Pfarrer dann & wann von seiner
goldenen, engelsbesetzten Kanzel herunter, was die Städte für ein
Sodom & Gomorrha waren!
Der Herrgott selbst hatte dort keine fünf Anständigen gefunden, wie
erst ein einfacher Bauer nicht!
Die wandernden Läden waren überall im Land unterwegs, und oft gaben
sich die Träger dieser mehrstöckigen Einrichtungen die Türklinke in
die Hand.
Zuerst & zuoberst kamen die Hausierer & die Korbflechter, die beide
dem Schwarzen Kramer nicht unähnlich waren, denn sie gehörten auf
jeden Fall zu denen, die für das Geld etwas daließen, denn es gab
daneben jede Menge Bettler, Bittsteller, Bettgeher, die man
plötzlich auf dem Hof, im Heustock, im Stall und mitten im Haus
hatte, solche, die sozusagen sich selbst daließen und die einem,
wenn man ein geduldiger Mensch war, weiter nicht auf die Nerven
gingen, sondern einfach eine Schlafgelegenheit brauchten und Hunger
hatten.
Nicht die, die einem die Gemeinde sowieso aufgebürdet hatte je nach
Größe des Hofes, sondern Zusätzliche, die sich nicht darum kümmern
konnten, ob der Bauer bereits mit einem oder zwei ihrer Sorte
belastet war oder nicht.
Viele Höfe gab es, die dafür bekannt waren, dass sie alles, was sich
in dieser Art auf das Haus zu bewegte, verjagten, verfolgten, Steine
schmissen auf lebende Menschen in Lumpen, ihre Hunde losbanden.
Gefährliche, hungrige Kettentiere, die mit einer ordentlichen
Hundemahlzeit belohnt wurden, wenn sie den Bettler erwischten und
ihm ihre Zähne ins Fleisch hauten, dass er es nimmer vergaß und sich
nicht mehr blicken ließ.
Es waren unter ihnen die schönsten und reichsten Höfe, denn auch
früher teilten nur die Ärmeren, nur sie verstanden etwas von der
Barmherzigkeit.
Tätigten die Großkopferten einmal eine Spende, dann musste es im
glänzenden Rahmen geschehen, bei den Gottesdiensten und anderen
Veranstaltungen, wo sie sich zeigen & sonnen konnten in der
Dankbarkeit der Gemeindeärmsten, des Pfarrers, bei der öffentlichen
Nennung der Summe, des Familiennamens, des Hofnamens.
Sie ließen sich die Hände schütteln, am liebsten hätten sie sich die
Füße küssen lassen, nahmen die Huldigungen genüsslich in ihren
besten Kleidern entgegen, überboten sich unter ihresgleichen in
Mitleid & Freigiebigkeit.
Leute, die die Sternsinger zu einem Festmahl in die gute
weihnachtliche Stube baten, sie mit Münzen & Papiergeld überhäuften,
die, je mehr es sahen, umso spendabler wurden, dieselben Leute
hetzten am anderen Morgen die Hunde auf einen einzelnen Menschen,
der um ein Stück Brot bettelte.
Mit der Zeit sprach es sich herum, wo etwas zu holen war und wo
nicht, doch kamen immer wieder Ahnungslose auf ihren weiten
Fußmärschen an solche Adressen oder unversehens auftauchende
Gehöfte, denn, wenn sie ihre oft jahrelange Runde abmarschiert
waren, fingen sie von vorne an, hatten nicht selten einen weiter
zurückliegenden Vorfall vergessen.